Was macht man eigentlich in Meerbusch? Ausflüge am Niederrhein
17. August 2021Ausflugstipp Nr. 2. „B“ wie Beuys. Wer „A“ sagt…
24. August 2021Den Anfang macht ein Kunstwerk. Genauer: Ein großer Kopf aus Stein. Anatol hat ihn erschaffen.
Anatol? Wer ist denn das?
Anatol, das ist nicht allein ein ungewöhnlicher, und dabei nicht mehr ganz so gängiger Vorname, sondern auch der Künstlername von Karl Heinz Herzfeld (1931 – 2019). Benannt hatte er sich so nach einer Figur aus Tolstois „Krieg und Frieden“. Als Bildhauer arbeitete er meist mit Holz, Eisen und Stein. Wenn möglich, arbeitete er mit bloßen Händen. Das Handwerkliche war ihm ebenso wichtig wie das Erzählen von Geschichten. Tatsächlich war Anatol auch ein Hufschmied, zumindest eine Ausbildung hatte er begonnen. Im bürgerlichen Leben, das es neben seinem Kunstschaffen auch gab, war er Verkehrspolizist. Er betrieb sogar ein Puppentheater, um den Kindern in der Schule die Verkehrsregeln zu vermitteln. An die Kunst, und an die Düsseldorfer Akademie, vor allem aber an Joseph Beuys, den er zu seinem Meister erkor, kam er durch zwei befreundete Künstler. Norbert Tadeusz und Peter Heisterkamp, alias Blinky Palermo. Seit den frühen Achtziger Jahren lebte und arbeitete er auf dem Gelände der Museums Insel Hombroich. Aber zu diesem wunderbaren Ort gibt’s noch einen eigenen Artikel. Versprochen.
„A“ wie Anatol und „B“ wie Beuys
Anatol, der sich meist nur mit diesem Vornamen vorstellte, war ein Schüler von Joseph Beuys, der wiederum in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiern würde. Wir erinnern uns: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Seine ebenso radikale wie umfassende Idee von einem erweiterten Kunstbegriff hat sicher die Kunst des 20. Jahrhunderts grundlegend verwandelt.
Nun hatte Joseph Beuys (1921- 1986) eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern, von Weggefährten und Gefolgsleuten. Und Anatol war einer von ihnen, und zwar einer von den ganz lauten, der nicht zuletzt mit einer spektakulären Aktion um seinen großen Meister Joseph Beuys von sich reden machte. Denn er hatte ihn „heimgeholt“.
„Das blaue Wunder“
„Das blaue Wunder“ ist nicht allein ein geflügeltes Wort, um eine unvorhergesehene, und dabei zumeist auch eher unangenehme Erfahrung zu beschreiben. So sind wohl die meisten nicht sonderlich darauf erpicht, insbesondere „ein blaues Wunder zu erleben“. „Das blaue Wunder“ ist auch der Name eines Einbaums, mit dem Anatol seinen verehrten Lehrer und Meister Joseph Beuys am 20. Oktober 1973 über den Rhein gerudert hat. Bekannt geworden ist diese spektakuläre Aktion seinerzeit unter dem Namen „Die Heimholung des Joseph Beuys“. Denn der Künstler sollte in die Düsseldorfer Kunstakademie zurückgebracht werden. An seiner Wirkungsstätte als Künstler und Professor hatte Beuys nämlich Hausverbot. Denn er hatte sich über eine Zulassungsbeschränkung hinweggesetzt. In seiner Klasse waren nicht dreissig, sondern zweihundertachtundsechzig Studierende eingeschrieben. Für den Landesminister für Wissenschaft und Forschung, Johannes Rau, sprengte das dann doch den Rahmen. Kurzum, das Hin und Her um Joseph Beuys schlug auch politische Wellen, und das Ritual der Heimholung konnte sich durchaus medial sehen lassen.
Beuys, der sich für dieses Ereignis in sein Schamanen-Ornat gewandet hatte, saß in einem Einbaum. Und Anatol paddelte nach Kräften, quer durch den Rhein, von Oberkassel zur Akademie am anderen Ufer. Das ist nicht ohne Gefahren, denn der Rhein ist ein mächtiger Strom, aber der Einbaum wurde begleitet, von Tauchern und Rettungsbooten des DLRG. Denn Anatol hatte die Aktion ordentlich angemeldet und gesichert, was der augenfälligen Dramatik aber keinen Abbruch tat.
Der große Kopf
Als Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag hatte Anatol eine große Skulptur geschaffen. Aus Stein, sehr groß und über zwölf Tonnen schwer. Dieser Kopf, der ein wenig an die rätselhaften Skulpturen auf den Osterinseln denken lässt, sollte seinen Platz auf den Rheinwiesen in Oberkassel finden. Nämlich dort, wo seinerzeit die denkwürdige Überfahrt ihren Anfang genommen hatte. Aber die Düsseldorfer lehnten dankend ab. Er gefiel einfach nicht, und die Stadt war nicht interessiert. Allerdings hat dieser große Kopf doch seinen Platz am Rheinufer gefunden. Er steht auf den Rheindeich bei Mönchenwerth, auf der Grenze zwischen Düsseldorf und Meerbusch-Büderich. Nur einen kleinen Spaziergang vom Hotel Villa Meererbusch entfernt. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad durch die Felder. Der Kopf ist alles andere als ein klassisches Porträt, aber er schaut gen Osten, stromaufwärts, dorthin, wo die Sonne aufgeht. In die Weite, den Fluss entlang, und ein laues Lüftchen vom Fluss gibt’s obendrein. Dieser Anblick ist entspannend. Und die Kunst – oder einfach nur „dies und das“ – kann man sich dabei durchaus auch einmal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen.
Viel Vergnügen!