Schnee. Leise Magie und ein Gedicht
8. März 2023Impro Show. Kresch-Theater 26.03.2023, 19.00 Uhr
17. März 2023Julian Charrière, Controlled Burn.
Ausstellung in der Langen Foundation, Neuss. Bis 06.08.2023
„Controlled Burn“. Kontrollierte Verbrennung. Das klingt ganz nach einem thermisch abgesicherten und gesteuerten Prozess unter Laborbedingungen. Was also ganz nach einem klinischen Chemieexperiment klingt, stellt sich in der Neusser Langen Foundation wie eine philosophisch-poetische Erkundung dar. Es geht um das Feuer, um die Transformation von Materie über alle Erdzeitalter. Und um Sonne, Wasser, Vulkane, Kohle und die Kernschmelze. Es geht um immense Energien, die freigesetzt werden, und darum, wie (und ob!) sich das Verschlingende von Flammen letztlich überhaupt kontrollieren lässt.
Alles wandelt sich
Wer bei „Controlled Burn“ an die ökologischen Probleme denkt, denen wir den Planeten aussetzen, an die weltweite Klima- und Energiekrise, die dabei ist, sich zu überschlagen, liegt sicher nicht falsch. Allerdings geht es Julian Charrière dabei nicht um ein mehr oder minder eindimensional lesbares aktivistisches Statement, sondern er fasst sein Thema sehr viel weiter. Es geht ihm darum, die stetige Verwandlung von Materie und Energie zu veranschaulichen.
In opulent inszenierten Arbeiten (Video, Fotografie, Skulptur und Installation) wird der erste Hauptsatz der Thermodynamik zu einer unmittelbaren Empfindung. In einer Art „Zeitraffer“ durch die flackernde Dunkelheit rasen wir durch die Erdgeschichte. Wir erleben, wie tropische Pflanzen sich in hauchzarte Eiskristallen verwandeln. Oder fossile Urwälder und Torfmoore, die – Äonen später – als Kohle zu einem ausgewiesenen und eigens abgebauten „Brennstoff“ werden. Da finden sich Vulkanausbrüche, Schmelzwasserfluten, Sonnenenergie oder eine Wasserstoffbombenexplosion, abgeholzte Wälder und riesige Palmölplantagen, ebenso wie synthetische Diamanten, mit Blei ummantelte Kokosnüsse oder Teer, der so unendlich langsam fliesst, dass er still zu stehen scheint.
Ortsspezifisches
Julian Charrière zeigt in der Einzelausstellung Controlled Burn zum einen eine Reihe seiner Hauptwerke, zum anderen acht neuen Arbeiten, die eigens für die Ausstellung produziert wurden. Kuratiert wurde „Controlled Burn“ übrigens von Charrières langjährigen Mitstreiterinnen und Gefährten: Der Philosophin Dehlia Hannah einerseits, und dem Kunsthistoriker und Kurator Nadim Samman andererseits. Sie vereinen Charrieres globale Betrachtungen in einer höchst verdichteten Werkschau, die das globale „Forschungsfeld“ des Künstlers nicht nur über Orte, sondern Zeiten vernetzt. Alles bleibt im stetigen Fluss: Es vergeht und wird damit – scheinbar – ein anderes, wobei die Energie nicht vergeht.
Ausgewiesen ortsspezifisch wird es gleich zu Beginn der Schau mit der Installation „Drain the swamp“ (2022). Im Wasserbassin der Langen Foundation, in dem sich ansonsten der Bau von Tadao Ando spiegelt, wirkt das Wasser nun schwarz. Unheilvoll untermalt von Falken-Rufen „vom Band“, so wie satsächlich auch in Absetz- oder Schlammteichen eingesetzt werden, um Vögel oder andere Tiere zu warnen, dass dieser Teich nicht sicher sei. Die Installation bezieht ihre Energie übrigens aus einer Solar-Anlage, die eigens dafür auf einen Container gesetzt worden ist. Oder „Panchronic Garden“ (2022), das die Geschichte des Kohleabbaus in Nordrhein-Westfalen aufgreift. Die vermeintlich rot-schwarz glimmenden Wälder von vor 300 Millionen Jahren sind zu einer Materie geworden, die ungeheure Mengen an Energie enthält.
Vertigo (2021)
Wem schwindlig geworden ist, der kann am Ende ein wenig verweilen und sich in meditativer Ruhe üben. Mit „Vertigo“ bietet Julian Charrière dazu einen ausgewiesenen Ort zum Innehalten an. Sogar hinlegen kann man sich bei Bedarf. Und das müde Haupt auf harte Kopfkissen betten. Die sind aus glatter behauener Kohle, und hinterlassen feine Spuren am Nacken. Die „Vertigo“-Installation bietet eine teppichbezogene Plattform, auf der bis zu fünf Personen Platz finden.
In idealem Abstand kann man sich dann der Betrachtung widmen. Wir schauen auf einen halbtransparenten Kristall, der wirbelnde Lichtwellen aussendet. Diese Lichtimpulse verlieren sich wiederum in dem hauchzarten Nebel, der aus dem Unterteil von „Vertigo“ austritt. Dazu ist im Hintergrund eine rumpelnde Geräuschkulisse zu hören. Aufnahmen von zwei aktiven Vulkanen in Island und Äthiopien. Vielleicht war es ja im Angesicht des Orakels von Delphi ganz ähnlich, um einmal ein bis heute berühmtes Beispiel zu nennen? Denn mit Feuer, Rauch und Schall kannte sich die Hohepriesterschaft vergangener kultischer Orte ebenfalls sehr gut aus, und wusste um die Mittel einer effektvollen Inszenierung.
Julian Charrière, Controlled Burn. Langen Foundation, Neuss.