Etel Adnan im K20
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9. Juni 2023„Rheinischer Übergangsstil“
Wer ins Rheinland reist, der kommt an der Gotik und Romanik nicht vorbei. Vor allem, wenn es um Kirchenarchitektur geht. In Neuss steht mit St. Quirinus ein besonders schönes Beispiel für den sogenannten „Rheinischen Übergangsstil“ am Niederrhein. Was der „rheinische Übergangsstil“ ist? Eine Mischung zwischen gotischen und romanischen Stilelementen. Der Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert, als man Gotik und Romanik als die „mittelalterlichen“ Baustile beschrieb.
Das Neusser St. Quirinus Münster ist nicht allein ein sehr typisches Beispiel für ein niederrheinisches romano-gotisches Bauwerk, sondern auch Wahrzeichen der Stadt Neuss. Die damaligen Erbauer orientierten sich stark an drei Kirchen in Köln, was man vor allem im Chorraum sehen kann. Denn der Chorraum hat drei Konchen. Das sind „runde Ecken“, halbrunde Nischen oder Einbuchtungen. Und die wiederum finden sich auch in der Kirche Maria im Kapitol, ebenso wie in Groß St. Martin und St. Apostel.
2009 wurde St. Quirinus von Papst Benedikt XVI., auf Bitte des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner, in den Stand einer Basilica minor erhoben. Und das wiederum ist auch etwas besonderes: „Basilica minor“ ist ein Ehrentitel, der die Bindung einer Kirche an den römischen Bischof binden soll. Bedeutsamer und ranghöher ist nur eine „Basilica maior“. Aber davon gibt es insgesamt nur vier, und alle vier stehen in Rom.
Altrömische Spuren, ein Kloster und ein Damenstift
Die Kirche wurde in den Jahren zwischen 1209 und 1230 erbaut. Wie bei vielen anderen Kirchenbauten auch, ist St. Quirinus jedoch nicht die erste heilige Stätte auf diesem Baugrund. Neuss war eine römische Siedlung: castrum novaesium. Im Jahr 16 v.C. errichteten die Römer ein Legionslager südlich der heutigen Altstadt. Und kurze Zeit später entstand auch eine zivile Siedlung. Die Toten wurden außerhalb dieser Siedlung auf einem Gräberfeld bestattet. Und das wiederum liegt heute unterhalb des Münsters. Bei Ausgrabungen wurden Teile einer „cella memoriae“ gefunden, also eines antiken Gebäudes für das Totengedächtnis. Durch eine Glasplatte im heutigen Boden kann man immer noch einen Blick in diese Vergangenheit tun.
Wohl um das Jahr 850 kam es zur Gründung eines Klosters. Ob es den Normannen-Einfall von 866 überstanden hat, weiß man nicht so genau. Sicher ist, dass das Kloster in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in ein adliges Damenstift umgewandelt wurde. Hier lebten reiche Töchter ein untadeliges Leben, allerdings nicht wie Nonnen unter einer Ordensregel. Vielmehr in eigenen Wohnungen und mit einer Dienerschaft. Sie konnten sogar heiraten, allerdings nur, wenn sie auf ihre Pfründe verzichteten. Also, eine nicht nur „gottgefällige“, sondern auch lukrative Angelegenheit für den Klosterbetrieb.
Quirinus: Römischer Soldat und christlicher Märtyrer
Die erste urkundliche Erwähnung einer Kirche an diesem Ort stammt aus dem Jahr 1043 anlässlich einer Schenkung durch Kaiser Heinrich III. In diesem Dokument ist auch der Stadtpatron Quirinus erstmals genannt.
Und wer war nun Quirinus? Quirinus von Rom oder Quirinus von Neuss war christlicher Tradition zufolge ein römischer Tribun und christlicher Märtyrer aus dem 2. Jahrhundert, der unter Kaiser Hadrian (117–138) enthauptet wurde.
Seine Gebeine brachte nach alter Überlieferung die Neusser Äbtissin Gepa, die Schwester des Papstes Leo IX. im Jahr 1050 von Rom nach Neuss.
Über sein tatsächliches irdisches Leben weiß man gar nicht so viel. Zumindest gibt es keine gesicherten Quellen. Wer sein Leben in Bildern anschauen möchte, der sollte in die Pfalz reisen. In der Klosterkirche des ehemaligen Dominikanerinnenkonvents Lambrecht (Rheinland-Pfalz) gibt es eine komplette Chorwand mit der Vita des Hl. Quirinus in Seccomalerei, aus der Zeit um 1400.
Pilgerziel Neuss
Die Verehrung von St. Quirinus verbreitete sich rasch über ganz Europa. Und die Aufbewahrung seiner Reliquien in Neuss hat in damaligen Zeiten für einen intensiven Pilger-Tourismus gesorgt. Der Effekt war höchst willkommen, brachte er doch viele Menschen in die Stadt.
Tatsächlich war Neuss im Mittelalter einer der bedeutsamsten Wallfahrtsorte im Rheinland. Denn St. Quirinus gehörte neben Hubertus, Cornelius und dem Einsiedler Antonius zu den Vier Heiligen Marschällen. Das waren die Schutzheiligen, die im Rheinland vor allem bei unerklärlichen Seuchen und Krankheiten angerufen worden sind.
Quirinus ist außerdem Patron der Pferde, Rinder und Ritter. Als Schutzheiliger gegen schlimme Krankheiten ist er äußerst vielseitig. So wird er gegen Bein- und Fußleiden, Gicht, Lähmung, Eitergeschwüre, Hautausschlag, Pest, Ohrenschmerzen, Kropf, Fisteln, Knochenfraß, Pocken und Pferdekrankheiten angerufen. Und wenn schon die Betrachtung seiner Reliquien Linderung brachte, dann war das wundertätige Wasser aus der „Hirnschale“ des Heiligen ein ganz besonderer Trank.
Dargestellt wird Quirinus im Allgemeinen als römischer Soldat, mit Helm, Lanze, Fahne und Wappenschild. Und mit dieser Ausstattung steht er auch als Statue auf der Kuppel von St. Quirinus. Und blickt Richtung Köln.