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31. Mai 2023Kunstspaziergang durch die Moderne
Mit der Werkschau von Etel Adnan präsentiert das K20 eine spannende Künstlerin, in deren (tatsächlich im Wortsinn!) „vielstimmigem“ Leben und Werk „alles mit allem“ zu verschmelzen scheint. In unterschiedlichen Medien und künstlerischen Ausdrucksformen, literarischen Sprachen und geographischen Orten.
Das Düsseldorfer K20
Das Düsseldorfer K20 ist ganz grundsätzlich eine empfehlenswerte Adresse für einen vergnüglichen und lehreichen Spaziergang durch die neuere Kunstgeschichte. Das Haus steht für die Expressionisten und Surrealisten, den Kubismus sowie den Neuen Realismus. Die Schlüsselfiguren der klassischen Moderne wie etwa Paul Klee, Max Beckmann, Pablo Picasso, Wassili Kandinsky oder Max Ernst sind im K20 ebenso vertreten wie wichtige Strömungen aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg: Abstrakter Expressionismus, Pop-Art oder Minimalismus. Rothko, Andy Warhol, Jackson Pollock, Francis Bacon, Joseph Beuys oder Gerhard Richter.
Das Haus hat längst den Blick auch auf bedeutende Künstlerinnen der Moderne gerichtet, darunter Paula Modersohn-Becker oder Gabriele Münter, ebenso wie Zeitgenossinnen wie Carmen Herrera, Isa Genzken oder Rosemarie Trockel. Diese kleine Aufzählung ist alles andere als komplett (und soll es auch gar nicht sein), sie ist vielleicht auch ein wenig „sprunghaft“ (und durchaus getrieben von persönlichen Vorlieben und Interessen), aber deutet an, wie weitgefächert das Angebot in den lichten hohen, stillen Räumen des Hauses ist.
„To the moon and back“
Ganz so weit geht es im K20 noch nicht. Ein Schwerpunkt der Sammlung ist nach wie vor die europäische und amerikanische Moderne, aber das K20 versteht längst, dass „Kunst“ ein vielstimmiges Gebilde ist und nicht bei einer geographischen westlichen Verortung in Europa und Amerika „aufhört“. Überdies hat sich das K20 auch längst aus der reinen Chronologie gelöst, sondern zeigt die Kunst vielmehr als einen Dialog über Orte und Zeiten hinweg. Und so hängt im K20 El Lissitzky selbstverständlich im Dialog mit den Assemblagen von Robert Rauschenberg, oder die Surrealisten in Nachbarschaft zu den „Social Fabrics“ von Nevin Aladağ. Kader Attias Holzköpfe sind in diesem Museum ebenso vertreten wie Fouad Kamel oder Lygia Pape.
Wobei den Anfang im K20 immer Paul Klee macht. Denn der Künstler ist mit einer sehr umfangreichen und sehr gut betreuten Werkgruppe im K20 zuhause. Derzeit ist es übrigens unter anderem sein „Lächelndes Kamel“, mit dem man gleich zu Beginn des Rundgangs begrüßt wird. Eine ganz besondere Arbeit, die auf ihre höchst eigene Art – auch (!) – für die Kunstauffassung des K20 steht.
Paul Klee
Denn für das K20 gibt es die „gängigen Schubladen“ eigentlich nicht mehr, sondern es geht vielmehr um die Vermittlung des Gleichzeitigen, von sehr unterschiedlichen Strömungen und Ausdrucksformen, die an unterschiedlichen Orten entstehen und irgendwo zusammenfinden. Und da kommt Paul Klees „Kamel“ gerade recht. Denn in diesem kleinen Meisterwerk von 1920 (das als eines seiner Hauptwerke gilt) verschmelzen gleich mehrere Themen. Das Bild ist kein Entweder-Oder, es ist alles zugleich. Es ist gegenständlich: Das Kamel ist deutlich zu erkennen. Es ist abstrakt: Die Dünen-„Landschaft“ ergibt sich aus Farbebenen und einfachen grafischen Elemente wie Kreis und Strich.. Sie lassen sich zwar ohne weiteres als Bäume verstehen, aber eben auch als Notenschrift, die den schwankenden Gang des Kamels durch eine (seine) Partitur zeigt – ein Bild, das man quasi sehen und „hören“ kann.
Paul Klee, das ist auch eine schöne Überleitung, um von einer überraschenden Einzelausstellung zu berichten, die derzeit im K20 zu sehen ist: Etel Adnan.
Etel Adnan
Denn diese Künstlerin nennt unter anderem Paul Klee als ihre große Inspiration. Genauso wie Kandinsky oder Rothkos Farbfelder. Und wer durch die farbstarke Einzelschau spaziert, erkennt diese starke Verbundenheit auch ganz unmittelbar. Flächige Bilder in kräftigen Farben, farbige Blöcke und gern: ein roter oder gelber Kreis, der durchaus als eine Sonne oder ein Mond „gelesen“ werden kann. Und außerdem: Die Erkundung des Weltraums, Mondlandung und der Aufbruch ins All, auch das fasziniert Etel Adnan ganz ungemein.
Den Anfang der Schau macht am Eingang ein großformatiges Keramik-Relief, das nach ihren Entwürfen gefertigt worden ist. Denn für Architektur interessiert sich Etel Adnan auch: Für Kunst am Bau, ebenso wie Textil. Und so sind – ganz folgerichtig – auch eine Ruhe von Teppichen bzw. gewebten Bildern zu sehen, die sie gestaltet hat.
„Poesie der Farben“
Etel Adnan ist eine echte Neuentdeckung, zumindest für mich. Denn ich kannte sie und ihr Werk vordem überhaupt nicht. Und ich freue mich sehr über diesen „Fund“. Nicht allein in ihrer multimedialen Kunst, sondern auch in der Biographie von Etel Adnan kommt noch einmal mehr zusammen, was durchaus zusammen gehört. Die Tochter einer Griechin und eines Syrers wächst im Libanon auf, besuchte eine katholische französische Mädchenschule und geht zum Studium nach Paris. Irgendwann ist sie in den USA, sie unterrichtet dort Philosophie, Kunsttheorie und kreatives Schreiben.
Etel Adnan: Literatur und Malerei
Ihre erste künstlerische Schriftsprache ist Französisch, später auch Englisch. Das Arabische, das sie selbst nicht spricht oder schreibt, ist ihr ebenfalls sehr nahe, zumal es in der Kindheit auch die Sprache ihrer Umgebung, auf der Strasse, war. Nicht zuletzt durch die Erfahrung des algerischen Unabhängigkeitskrieges solidarisiert sie sich mit der arabischen Welt, und hört auf, in der französischen Sprache zu arbeiten. „Ich brauchte nicht mehr auf Französisch zu schreiben, ich wollte in Arabisch malen.“ Macht sie deutlich. In manchen Bildern taucht die arabische Sprache als Kalligraphie auf, oder als ein gleichsam „abgemalter“ Text. Etel Adnan freut sich an den eleganten Schwüngen der arabischen Schrift. Bisweilen unterschreibt sie auch mit arabischen Zeichen. In ihren Texten, Prosa und Lyrik, aber auch Hörspiele und Theaterstücke sind dabei, reflektiert sie ihre vielstimmige Welt. Dass ihre Texte auch ins Arabische übersetzt werden, erfüllt sie mit Stolz.
Zur eigenen Malerei findet sie erst spät, aber sie wird für Etel Adnan ebenso unabdingbar zum künstlerischen Ausdruck wie ihre literarischen Texte, oder die Arbeiten wie etwa ihre Leporellos, in denen Text und Bild zusammen finden. Die Mehrheit ihrer gemalten Bilder ist eher kleinformatig. Sie entstehen meist in einer einzigen Sitzung, bisweilen wie ein Blatt, das sich mit einer Art universeller Sprache füllt.
Der ganz große künstlerische Durchbruch kommt für Etel Adnan erst spät im Leben. Ulrich Obrist wird irgendwann auf sie aufmerksam. Im Jahr 2012 wird sie zur Documenta eingeladen, und ab da werden ihre Arbeiten auch international wahrgenommen. Die erste umfassende Retrospektive kommt 2022, ein Jahr nach ihrem Tod. Mit einer Ausstellung im Münchner Lenbachhaus. Das K20 zeigt – in Kooperation mit dem Lenbachhaus – ihre Werte aus allen Schaffensphasen und Medien.
K20 in Düsseldorf. Etel Adnan. Poesie der Farben. Bis 16.07.2023