
Anja Koal. Herz in Wolken. Ausstellung
31. August 2023
Birgit Leßmann, „Intermezzo“. Malerei.
3. November 2023Mit Netz….und ohne doppelten Boden
Schwindelfrei sollten Sie auf jeden Fall sein, wenn Sie das Kunstwerk „In orbit“ von Tomas Saraceno erkunden möchten. Die großformatige Installation hängt direkt unter der gläsernen Decke des Düsseldorfer K 21. Ein gigantisches Stahlnetz ist etwa 25 Meter über dem Boden installiert. Es liegt in drei Schichten auf, die nahezu durchsichtig wirken. Nicht zuletzt ist die Konstruktion eine technische Meisterleistung. Denn hier sind drei Tonnen Stahl schwingend unter der Decke verschraubt.
2.500 Quadratmeter Netz und fünf riesige Plexiglas-Kugeln ergeben ein Gebilde, das ganz luftig und wolkig erscheint. Ganz leicht, ohne jede Bodenhaftung. „In orbit“ eben, wie der Titel schon sagt. Und was von unten schon sehr spektakulär daherkommt, das sorgt doch für ein mulmiges Gefühl, wenn man sich hinauf- oder vielmehr hineintraut und d’rauf los klettert. Wer es wagt, der spürt nicht allein seine eigene Bewegung als Vibration, sondern auch die der anderen Menschen, die sich gleichzeitig in diesem Netz aufhalten.
„Begehbare Skulptur“
Saracenos Werk ist im Wortsinn eine „begehbare Skulptur“. In ihr kann man klettern, sitzen oder liegen. Und nach unten schauen, oder nach oben in den Himmel über dem Glasdach des K21. Jede einzelne Bewegung setzt sich in den Netzen fort. Die Kugeln, die über diese Bewegungen auch selbst „ins Rollen“ kommen, übertragen die Bewegung an die anderen Netze.
„In orbit“, das lässt sich auf diese praktische Weise ganz wörtlich verstehen. Oder vielmehr erspüren. In einer Umlaufbahn, wie ein Planet. Losgelöst und gleichzeitig verbunden. Schwebend, aber nicht allein.
In Orbit
„In orbit“ gehört zu Saracenos bislang größten und umfassendsten Arbeiten.
Gemeinsam mit Architekten, Ingenieuren und Biologen hat Tomas Saraceno – von 2011 bis 2013 – drei Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Und Architekturentwürfe sind Tomas Saraceno vertraut. Denn vor seinem Kunststudium hat er Architektur studiert.
Der Künstler Tomas Saraceno befasst sich in seinen Arbeiten – auch – mit dem Spielarten der Kommunikation und Interaktion. Und er hat sich jahrelang sehr intensiv mit Spinnennetzen befasst. Er hat erforscht und sorgsam beobachtet, wie Spinnen ihre Netze spinnen. Fein und filigran, hauchzart und gleichzeitig enorm stabil. Die Bauweise ihrer Netze, aber auch ihr Sozialverhalten hat er akribisch erfasst.
Inzwischen sind Netzkonstruktionen zu einem Topos in Saracenos Werk geworden, die fühlbar und physisch erlebbar machen, was Vernetzung bedeutet.
Architektur und soziale Utopie
Das Projekt „In orbit“ kommt als Ergebnis seiner Utopie von einer schwebenden Stadt in den Wolken schon einen Schritt näher. Seine Vorstellung vom künftigen Zusammenleben beschreibt der Künstler als „wechselnde Ko-Abhängigkeiten“. Die Bewegung des Einzelnen wirkt sich immer auf die Gesamtheit aus.
Tomás Saraceno befasst sich bereits seit vielen Jahren mit der Vorstellung von einer fliegenden Zukunftsstadt, die sich selbst versorgt. „Cloud Cities“ und „Airport City“ nennt er seine Visionen. Seine ideale „Stadt“ besteht aus ballonartigen, schwebenden Modulen, die kontinuierlich ihre Form verändern, sich miteinander verbinden und von Wind und Sonne angetrieben werden. Wie Wolken. Dabei sind sie komplett entgrenzt und schwerelos.
Der gewohnte „sichere Grund“ ist hier abgelöst von einem schwebenden Umgrund, der kontinuierlich im Fluss ist. Das mag ein befreiendes Gefühl sein, vielleicht macht es aber auch unsicher auch ein wenig Angst. Bei der Betrachtung und Erkundung von „In Orbit“ stellen sich derlei Gefühle durchaus auch ein. Selbst wenn man selbst gar nicht klettern mag, und vom sicheren Geländer aus die besondere Ästhetik von „In Orbit“ mitsamt der kletternden Menschen in schwingend-schwindelnder Höhe genießt.
AEROCENE: FREE THE AIR. “Orbit-s” For a Post-Fossil Fuel Era (2022)
Mit einer neuen Virtual Reality-Arbeit hat Saraceno die interaktive Komponente von „in orbit“ weiterentwickelt. Das Open Source VR-Set lässt Sie im K21 zu einem Flug abheben: Vom Wind getragen und von der Sonne erwärmt, fliegen Sie um die ganze Welt und fühlen sich ganz schwerelos.
„In orbit“. Installation von Tomas Saraceno. K 21, Düsseldorf.