
Düsseldorfer Kunstpunkte. 19./20. und 26./27.08.23
15. August 2023Anja Koal, Herz in Wolken. Gemalte Märchen. Ausstellung bis November 2023
„Herz in Wolken. Gemalte Märchen“
Anja Koal stellt ihre Kunst bei uns aus. „Herz in Wolken. Gemalte Märchen“ hat sie ihre Werkschau genannt, und dieser Titel trifft das Wesen ihrer sehr persönlichen Bilder ganz genau. Wir schauen in ihre gemalten Welten, in denen auch alte überlieferte Erzählungen und Geschichten ihren Widerhall finden. Sie kommen verzaubert daher, und ein wenig entrückt. Ihre narrative Kunst erzählt sich selbst: In farbkräftiger Malerei und feinen Zeichnungen, die nur sanft mit einer Farbe akzentuiert sind. Dass die Künstlerin auch Gedichte schreibt, liegt auf der Hand: Die Literatur ist für sie – wie die Malerei – ein Mittel des Erzählens.
Magisches und Surreales
Magie muss nicht erklärt werden. Sprechende Froschkönige und verwunschene Prinzessinnen sind im Märchen ebenso selbstverständlich real wie Anja Koals Schnecken, die – ganz gemächlich – ihr turmartig gedrehtes Haus die Fassade eines Wolkenkratzers hoch tragen, oder ein Fisch, der – ganz ohne Wasser – in der Wiese schwimmt. Ihre gemalten Welten haben keine Grenzen oder bleiben gar in der Materialität unserer Dingwelt, ganz im Gegenteil. Magische Wesen wie Elfen und Feen mit hauchzarten Flügeln finden sich ebenso wie blaue Pferde und aufrecht stehende Hasen mit geradem Rücken, die äußerst selbstbewusst Anja Koals traumhafte Bildwelten bevölkern. Alles hat seine Bedeutung und kommuniziert mit Jedem, ergibt ein kosmisches Miteinander, das auf sich selbst referiert und sich im Gegenüber wiederfindet. Die Künstlerin offenbart in ihren Bildern die poetische Schönheit in den Dingen: Das kann auch die perfekte Form eines Schneckenhauses sein, oder ein grüner Papagei, der – schon ganz weit weg – in den wolkenverhangenen Himmel entschwindet.
Anja Koal: „Meine Bilder müssen selbst leuchten“
„Meine Bilder müssen selbst leuchten. Und wenn sie das nicht können, dann sind sie einfach noch nicht fertig.“ Mit diesem Satz hat Anja Koal bei der Hängung ihrer Ausstellung bei uns nicht nur meine Frage beantwortet, ob ich das Licht einschalten soll, weil sich der Himmel gerade verdunkelt und ein Frühlingsregen aufzieht.
Ihre Feststellung steht tatsächlich für eine ganz grundsätzliche Eigenheit ihrer Arbeit. Anja Koals Malerei leuchtet intensiv und von innen heraus. Die Künstlerin spielt mit dem Licht, lässt es weich in das Bild fließen oder setzt sorgsam Akzente, die ihre Szenen zum Strahlen bringen. Und dieses Strahlen ist nie grell und gleißend, sondern sanft und freundlich. Ihre Farben sind oft sehr zart, pastellig, bisweilen gar milchig und mit einem nebligen Schleier: Hellrosa oder das fast durchscheinende Grün von ganz jungen Blättern findet sich häufig. Aber auch ein leuchtendes Himmelblau. In einem strahlenden Himmel oder in der Weite des Meeres, aber durchaus auch als das Fell eines Pferdes, das mit eben dieser Farbe zu einem magischen Wesen wird, und ganz danach aussieht, als sei es eben der überbordenden Phantasie des Kindes entsprungen, das neben ihn steht.
Das Innen im Außen. Das Große im Kleinen. Und umgekehrt
Eine zentrale Arbeit ist für Anja Koal ihr „Weltenbaum und Hase“, ein Bild, an dem sie insgesamt wohl etwa zehn Jahre (2008 – 2018) gearbeitet hat. Inzwischen ist es vollendet, zumindest vorerst. Wie es zu diesem Prozess gekommen ist? „Malerische Probleme, die sich mit fünfundzwanzig nicht lösen lassen, finden einfach erst mit fünfunddreissig eine Antwort.“ Ganz einfach.
Es geht um Erlebtes und Erfahrung. Und so kommt in ihrem „Weltenbaum“ alles zusammen, was ihre Kunst ausmacht: Hier hat zum einen alles seinen Ursprung, und zum anderen fliesst es wieder zusammen , und nimmt dann erneut seinen Weg in die Welt. Ein mächtiger Baum mit einer blühenden Krone, im Hintergrund die Stadt mit ihren hohen Häusern. Und natürlich ein Hase und eine Schnecke. Ein Mensch und ein Esel. Die Physik unserer realen Welt scheint hier außer Kraft gesetzt. Vertraute Maßstäbe und bekannte Größenverhältnisse gehen hier einfach nicht auf. Bei Anja Koal wird das vermeintlich Große ganz klein und das Kleine ganz groß.
Anja Koals Figuren. Kinder, Gefährten und Hüter
In einer ganzen Reihe ihrer Bilder finden sich Kinder. Gerade ihre Kindergestalten erscheinen selbstbewusst, gelassen und ruhig. Wie der eine Junge („Richard“, 2016), der entspannt auf einer Treppe sitzt und schreibt, oder der andere mit dem Federkopfschmuck, der sein blaues Pferd führt („Pegasus“, 2016). Dieses Tierwesen erscheint als mächtiger Begleiter, stark, eben wie ein Pegasus, der allerdings keine Flügel hat und sie auch gar nicht braucht, sondern dem kraft seiner Phantasie vermutlich auch das Fliegen gelingt. Zumindest könnte er das. Denn der Junge ist ganz in seinem Spiel und das ist fraglos real. In der Betrachtung erleben wir das ebenso: Denn wir sehen seinen Federschmuck und auch das blaue Pferd. Und natürlich gibt es bei ihm auch wieder eine Schnecke, die ihre leuchtend-goldgelben Bahnen zieht.
Und wer weiß, dass Anja Koal an der Düsseldorfer Kunstakademie Meisterschülerin von Siegfried Anzinger war, der liest in dem Jungen mit dem Federkopfschmuck durchaus eine weitere Anspielung. Denn die Arbeit referiert – auch – auf ihren Professor und die von ihm gern und oft zitierten Episoden aus der Welt der „Cowboys und Indianer“.
Bisweilen erscheinen Anja Koals Figuren als Hüterinnen und Wächter, sogar mit einem Stab, und umgeben von Tieren als Gefährten. Bisweilen können sie zu freundlichen Riesen werden. So verwandeln sich die verwunschen-sumpfigen Flussauen, die an den Spreewald erinnern, durch die Anwesenheit von einem Jungen, der sich darüber lehnt, in eine verzauberte Miniaturlandschaft, ganz so wie Gulliver bei den Zwergen. Ein Mädchen schaut von außen in ein verwinkeltes dunkles Treppenhaus. Das muss doch groß sein wie eine riesige Halle, wenn man die schemenhafte Gestalt im Hintergrund dazu in Beziehung setzt und mit dieser Referenz die Größe des Raumes einschätzen möchte. Aber mit dem Gesicht des Mädchens wird es klein, so wie ein Puppenhaus.
Alles fließt
Ganz wie im Märchen, kommt es in Anja Koals Malerei nicht darauf an, wann und wo sich die Dinge ergeben. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sei noch heute.“ Zeit spielt keine Rolle, oder ist zumindest nicht von Bedeutung. Alles ist im Fluss. Die DJane, die mit geschlossenen Augen ihre Musik auflegt und über ihre Kopfhörer schon den nächsten Track hört. Sie ist gleichermaßen in diesem Moment wie schon in der Zukunft. Nur, dass sie das, was kommt, nicht sieht, sondern hört. Anja Koal hat sie „Priestess“ (dt. „Priesterin“) genannt.
Biosphäre
Dass Anja Koal, die gleichermaßen in Düsseldorf und im Spreewald lebt und arbeitet, an diesen beiden Orten sowohl ein herkömmliches Atelier (mit vier Wänden und einem Dach), aber auch ein Außenatelier, ohne Wände und vielleicht mit einer Plane) hat, versteht sich von selbst. Und dass sie gern direkt draussen arbeitet, sowieso.
Zu ihrer Ausstellung hat uns Anja Koal eine kleine Biosphäre mitgebracht. Eine Glaskugel, in der ein kleiner, zartgrüner Hase sitzt. Inmitten von einem Wildwuchs an grünen Pflanzen mit winzigen Blättern. Sie leben und atmen ein und aus, so dass das Glas dieser Kugel morgens ganz beschlagen ist, wenn die Sonne darauf scheint. Die Welt darin genügt sich selbst, im Idealfall. Wir beobachten sie jeden Tag, aufmerksam und umsichtig.
Anja Koal: Malerei, Zeichnungen, Druckgrafik. Ausstellung bis Herbst/Winter 2023.