
Binn in Meerbusch
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Manches erscheint in diesen Tagen so, als habe man es bereits einmal erlebt. Und tatsächlich war die große Einzelausstellung von Hans Binn bei uns im Haus bereits für das vorletzte Jahr geplant. Nachdem aber Künstler und Werke in der Bretagne „festhingen“ und nicht reisen konnten, waren wir umso dankbarer dafür, dass wir dennoch – auch im vergangenen Jahr – Arbeiten von Hans Binn bei uns zeigen konnten. Es waren nicht die Arbeiten, die er eigentlich für „Bin(n) in Meerbusch“ vorgesehen hatte. Wir hatten allerdings die Möglichkeit, Bilder zu zeigen, die seit Dezember 2020 nach einer Werkschau in Düsseldorf eingelagert waren. Denn diese Arbeiten konnte Hans Binn ja auch nicht wieder abholen. Und kaum hatten wir diese Arbeiten an unsere Wände gebracht, kam der Lockdown. Kurzum, die erste Ausstellung „Bin(in) in Meerbusch“ aus dem Winter 2020/2021 blieb weitestgehend ohne Betrachter.
„Bin(n) in Meerbusch“. Die Zweite.
Jetzt gibt es eine Neuauflage. „2.0“ sozusagen. Aber diese Formulierung mag Hans Binn nicht. Die ist ihm zu modern. Deshalb übernimmt er den ursprünglichen Ausstellungstitel: „Binn in Meerbusch“. Und er spricht von einer Neuauflage. Dabei ist allein das Titelbild geblieben, das bereits die Einladungskarte für die Erstauflage seiner Schau geziert hatte. „Hummersnot“. Ein zweifarbiger Holzschnitt in kleiner Auflage: Schwarz mit Rot. Eine junge Frau mit großen Augen und kurzem Haar, ganz in Schwarz, die einen roten Hummer in der Hand hält.
Ansonsten ist ganz neue Kunst zu erleben, die in den vergangenen Monaten entstanden ist. Wie produktiv und kreativ der Künstler Hans Binn die epidemische Zwangspause genutzt hat, das zeigt sich jetzt bei uns. An unseren Wänden hängt nun farbkräftige Malerei. Ganz klassisch auf Leinwand, aber auch auf (Zeitungs-)papier oder schmalen Holzplanken. Selbst ein ausrangiertes Brotschneidebrett kann für den Künstler zur Unterlage für seine Arbeiten werden. Und so zeigt sich etwa auf diesem alten Brotschneidebrett nun seine Version eines ganz alten Stoffes: Zu sehen ist Leda mit dem Schwan.
Neues und Vertrautes: Landschaften und Personen
Selbstredend gibt es auch in der aktuellen Werkschau Landschaften, etwa mit dem Blick über grüne Hügel oder auf’s Wasser. Hans Binn findet seine Motive auf Reisen oder in seiner Heimat. Denn der Künstler ist dort zuhause, wo andere Urlaub machen, die die Natur und die Einsamkeit suchen. Die zerklüftete Küste der Bretagne liegt direkt vor seiner Haustür und ist für ihn ein ganz typisches Bildthema.
Ebenso charakteristisch für ihn sind seine Frauenporträts. Oft sind es mondäne Frauen mit großen Augen, leuchtend roten Lippen und mit intensivem Blick, gern mit einem auffälligen, häufig rotem Pagenkopf. Und wo einige seiner Bildfiguren diejenigen fest im Blick zu haben scheinen, die ihrerseits die Bilder betrachten (also uns), schauen wiederum andere Bildfiguren hochkonzentriert auf die Mattscheibe im Schacht einer klassischen analogen Rolleiflex-Kamera. Denn sie fotografieren ihr Gegenüber und haben ihr eigenes Bildmotiv im Blick. Und das wiederum könnten durchaus auch wieder wir sein. Denn wir stehen ja als die Bildbetrachtenden dem Bild gegenüber.
Einige seiner Motive wirken eigentümlich nostalgisch und entrückt, was Hans Binn mit der Bildausstattung durch entsprechende Requisiten noch unterstreicht. Ein Schaukelpferd von einem Jahrmarkt-Karussell oder eine alte Zündapp zum Beispiel. Da ist in einer Arbeit etwa eine viktorianische Fassade im Bildhintergrund. Ein wenig düster Wie aus einer anderen Zeit. Das Lebensgefühl des „Fin de siècle“ hat den Künstler inspiriert. Eine diffuse, teils widersprüchliche Stimmung zwischen Aufbruch und Angst, ebenso leichtlebig und dekadent, wie vergänglich und voller Unsicherheit.
Von Menschen und Masken
Mit dem letzten Jahr hat allerdings auch ein neues Motiv seinen Platz in Hans Binns Kunst gefunden: Masken. Die sind für ihn nicht gänzlich neu, etwa als Halbmasken über die Augenpartie, wie man sie vom Venezianischen Karneval oder aus der Commedia dell’Arte kennt. Aber auch die Masken über der Mundpartie, die inzwischen für uns alle ein vertrauter Anblick geworden sind, finden sich in seinen neuesten Bildern wieder.
So tragen etwa auch die Damen in seinen teils kolorierten Holzschnitten Masken. Aus den Köpfen mit den teils maskierten Gesichtern ist gar eine kleine Serie geworden: „Unberühmte Bilder“ nennt Hans Binn diese Arbeiten.. Sie sind – und das ist ein ganz typischer Kunstgriff von Hans Binn – teils sogar auf Zeitungspapier gedruckt. Mit der Textebene, die sich unter den Farben teils nicht nur erahnen, sondern vielmehr noch entziffern lässt, hält untergründig eine neue Bildebene Einzug in seine Arbeiten. Bisweilen sogar tagesaktuell. Und das Kreuzworträtsel, das sich unter einer hauchzart lasierten Farbschicht deutlich abzeichnet, ist längst nicht das einzige Rätsel, das sich durch Hans Binns Kunst hindurch zieht.
Ausstellung: 28.11.2021 bis April 2022