Wimmelbild mit einem Eichhörnchen
12. April 2023Arbeitsplatz Kunst. Wo die Kunst entsteht.
2. Mai 2023„Der Mucha“. Ganz so, als ob man ihn kennen müsse
„Der Mucha“. Das klingt gerade so als müsse man ihn kennen. Seltsam vertraut und nahe. Fast wie etwa „der Micha“, und da fallen mir in der Tat gleich mehrere ein. Ansonsten? Kann ich mit dem Namen Reinhard Mucha auf Anhieb nicht ganz so viel anfangen, wie ich zugeben muss. Der Künstler, der 1950 in Düsseldorf geboren ist, steht insbesondere für die Kunstauffassung der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen widmet ihm aktuell eine große Überblicksausstellung im K20 und K21.
Mucha. Der Baumeister
Reinhard Muchas umfangreiches Werk umfasst hauptsächlich Skulptur, Fotografie und Installation. Und grundsätzlich kann, so scheint es, alles Mögliche zum Material werden. Blechprofile, Regalschienen, Ösen und Lenkrollen, Kabeln, Draht oder Leuchtröhren, kleine Fußbänkchen, Monitore und Paneele. Oder eben ganze Möbel: Stühle, Tische, Bänke. Reinhard Mucha baut daraus etwas Neues und Eigenes zusammen. Manches mutet wie ein riesenhafter Fischer-Technik-Bausatz an. Wie etwa sein Riesenrad (im K20), das er aus Leitern, Leuchtstoffröhren und Kantinenstühlen zusammengefügt hat. Es heißt „Das Figur-Grund-Problem in der Architektur des Barock“, und der Titel verweist auf einen anderen, größeren (kunsthistorischen)Kontext. Und weiter heißt es in diesem Titel, allerdings in Klammern gesetzt: „(für dich allein bleibt nur das Grab)“. Kurzum: Keinerlei Illusionen, und das, obwohl es doch um ein Riesenrad geht. Eine ganz klassische Jahrmarktsattraktion, also. Wenn also nicht auf der Kirmes, wo sonst kann man noch Illusionen erwarten? Das bleibt offen.
Bekannt ist nicht zuletzt seine großformatige Installation „Das Deutschlandgerät“ von 1990, die ursprünglich für den deutschen Pavillon auf der Biennale di Venezia entstand. Benannt wurde die sperrige dauerhafte Installation, die im K21 den 2. Stock sehr massiv ausfüllt, übrigens nach nach einer hydraulischen Vorrichtung zum Wiederaufstellen entgleister Schienenfahrzeuge. „Deutschlandgerät“ ist nicht zwingend politisch zu lesen, sondern beeindruckt nicht zuletzt durch seine Wuchtigkeit. Im K21 steht dieses raumgreifende Werk inzwischen wieder, als eine Rekonstruktion, nachdem sie über Jahre im Archiv verschwunden war.
Handwerkliche Präzision und biografische Dokumentation
Reinhard Mucha arbeitet planvoll, präzise und genau. Seine Vitrinen aus Glas und Metall sind sauber gearbeitet, jeder Schnitt durch eine Filzauflage ist akkurat, und wenn er eine Linie zieht, dann ist sie mit dem Lineal gezogen. Der Künstler arbeitet mit Materialien, die auch aus einem Baumarkt kommen könnten, und mit Gebrauchsgegenständen, die er in eine neue Verwendung überführt.
Mucha ist – neben seinem akademischen Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie – nicht zuletzt auch ein ausgebildeter Handwerker. Er hat erfolgreich eine Schmiedelehre absolviert. Sein Zeugnis ist her ebenso ausgestellt, wie akkurat mit Schönschrift beschriebene Seiten aus seinen Schul- und Ausbildungsheften oder diverse administrative Dokumente und Patientenfotos aus seiner Zeit als Hilfspfleger in der Psychiatrie. „Krankschreiben darf nur einer: der Arzt“ heißt es hier programmatisch als repetitiver Vordruck auf vielen offiziellen Formularen, etwa zu Anamnese. Das wäre dann auch eindeutig und ohne Interpretationsspielraum geklärt.
In seinem künstlerischen Werk sammelt und „versammelt“ Micha auch die Episoden seiner eigenen Biografie, etwa in Form von Textzeugnissen oder Fotografien. Er zeigt sich in dieser monumentalen Werkschau – auch – in Kinderfotos und Schulheften, oder amtlichen Vordrucken und Zeugnissen. Das lässt – nach eingehender Betrachtung beziehungsweise Lektüre – seine Person vermeintlich vertrauter erscheinen, und tatsächlich auch nahbar und „geerdet“. „Der Mucha“ – das klingt dann doch wie einer „von nebenan“. Gleichzeitig entzieht sich der Künstler durch die bewusst museale Präsentation: Im Rahmen, hinter Glas oder in einer Vitrine. Vielleicht ist „der Mucha“ ja doch – auch – eine sorgfältig kuratierte öffentliche (Re)Konstruktion? Aber das ist nur mein persönlicher „Anfangsverdacht“.
Werkschau: Der Mucha – Ein Anfangsverdacht. Im Düsseldorfer K20 und K21. Verlängert bis 07.05.2023.