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1. März 2023Ungekünstelt: Farbstarke Malerei mit bewegten Oberflächen und starken Strukturen
Birgit Leßmanns Ausstellung „Ungekünstelt“ zeigt ein breites Spektrum von farbkräftiger, gestischer Malerei. In ihren neuen Arbeiten hat die Künstlerin sich stark von der Natur, auch als Quelle für ihr Material, inspirieren lassen. Die Farben kommen oft nicht einfach „aus der Tube“. Sie sind vielmehr selbst gemischt und gerührt, auch aus organischen oder mineralischen Naturmaterialien: Kaffee- oder Marmormehl, mit Sand oder Eisenspänen. Bereits dadurch ergibt sich, oft im Zusammenspiel mit einem pastosen Farbauftrag, bereits ein starkes Relief.
Durch die Kombination mit Collage-Elementen zieht eine weitere, oft dreidimensionale Bild-Ebene ein. Denn diese Collage-Teile bleiben in ihrer Grundgestalt durchaus erhalten, aber sind in der Regel mit dem gemalten Umgrund verschmolzen, gehen darin auf: In „Ungekünstelt“ können dies Zeitungsschnipsel sein, aber auch Zweige, Blätter , Muscheln oder gar ein winziges Schneckenhaus, in dessen Form sich ein gemaltes Blatt eines noch zusammengerollten Farns spiegelt.
Neue Arbeiten brauchen immer eine Weile, bis sie zu einem vertrauten Anblick geworden sind. Jede neue Ausstellung verwandelt tatsächlich immer das ganze Haus und lässt eine neue, andere Atmosphäre spürbar werden. Das ist auch bei der Malerei von Birgit Leßmann nicht anders. Birgit Leßmanns Werkschau „Ungekünstelt“ ist bereits im Dezember bei uns angekommen und hat sich inzwischen bei uns „eingerichtet“. So weit, so vertraut.
„Was vom Spiel übrig bleibt“
An der kleinen Bildreihe „Was vom Spiel übrig bleibt“ hängt der Blick von vielen Gästen, die sich die Ausstellung „Ungekünstelt“ in aller Ruhe anschauen, oft noch ein wenig länger. Und die erste spontane Reaktion ist oft die Überraschung über einen offenbar eher weniger vertrauten Anblick, der, zumindest auf den ersten Blick, ein wenig aus der Reihe fällt.
Denn „Was vom Spiel übrig bleibt“ ist auf der einen Seite „Leßmann-typisch“, und andererseits „irgendwie ganz anders“. Dies meinen zumindest gerade diejenigen unserer Gäste, die mit der Malerei und den Collagen von Birgit Leßmann besser bekannt sind oder die bisweilen gar bereits eine Arbeit der Künstlerin bei sich zuhause haben. Eine, inzwischen bereits mehrfach gehörte Frage in diesem Kontext lautet: „Diese drei Bilder hier. Sind die auch von Birgit Leßmann?“
Was ist daran so anders?
„Was vom Spiel übrig bleibt“ läßt einem zentral gesetzten Collage-Element den „ganz großen Auftritt“. Es bestimmt den Ausdruck des gesamten Bildes. Im Mittelpunkt jeder Einzelarbeit (jeweils 50 cm x 70 cm) steht eine großformatige Platte aus gelasertem Holz. Eine beige-hellbraune Negativ-Form, die den gesamten Bildraum bestimmt und ihrerseits von Gipsbinden eingerahmt ist. Aus dieser Negativform herausgebrochen sind kleinere Steck-Elemente, die sich zu einer kleinen, Setzkasten-artigen Aufbewahrungsbox für Spielfiguren zusammenfügen lassen.
Das, „was vom Spiel übrig bleibt“, ist – bei erster Betrachtung – eigentlich Abfall. Zumindest die eigentliche Funktion dieser „Rahmen“ (nämlich, diese Steck-Elemente sicher aufzubewahren, bevor sie zusammengefügt werden) hat sich mit dem Herausbrechen dieser Elemente ja bereits erfüllt.
Aber, „das, was übrig bleibt“, hat durchaus Präsenz und eine eigenwillige Ästhetik. Zu schade, um gar nicht mehr beachtet zu werden. Und zu schade zum Wegwerfen allemal, was sich mit Birgit Leßmanns Bearbeitung zeigt. Sie inszeniert hier eben das, was übrig bleibt, und macht es zu einem zentralen Element. Die Künstlerin unterstreicht dabei die sehr „aufgeräumte“ Anmutung dieser Elemente nicht zuletzt durch das sorgfältige Setzen von Gipsbinden, die ebenfalls in ihrer Materialität erhalten bleiben. Wie ein Rahmen oder vielmehr Passe Partout, rings um einen sicher tausendfach industriell produzierten Massenartikel, mit einer klar definierten, immer gleichen Form.
„Ungekünstelt“: Zufall und Plan
Der Zufall hat hier, und das ist typisch für die Malerei von Birgit Leßmann, immer noch seinen Platz. Denn die Künstlerin läßt sich auch in diesen Arbeiten darauf ein, dass etwa der Gips unterschiedlich schnell trocknet und unter Spannung Risse bildet, oder dass das Beige-Braune des Umgrundes zahllose Schattierungen und ein deutliches Relief angenommen hat. Und dass die Holzformen tatsächlich Nummern tragen (nämlich „8“, „11“ und „13“), war eine weitere kleine Überraschung für die Künstlerin, die als einen weiteren Akzent gern die eine oder andere Zahl in ihren Arbeiten zeigt. Meistens mit der Schablone gesprüht. Denn die kleinen Zahlen, als Orientierung für’s Zusammenbauen der Steck-Elemente, offenbaren sich tatsächlich auch nicht unbedingt auf den allerersten Blick.
„Ungekünstelt“: Grundrisse
Mit ihren sauber geschnittenen Kanten und klaren Senkrechten und Waagerechten werden die eigentlichen Negativformen durch Birgit Leßmanns künstlerische Umsetzung wieder erhaben. Sie produzieren eine sicht- und fühlbare Struktur und treten deutlich aus dem Bildgrund hervor. Die regelmäßigen großen und kleineren Aussparungen wirken dabei fast wie der Grundriss zu einem Gebäude. Was könnte das wohl sein? Vielleicht eine Werkhalle, ein Lager oder ein Versammlungsort, mit großen und kleinen Nebenräumen. Diese Assoziation wiederum korrespondiert auf eigentümliche Weise mit zwei Arbeiten auf der gegenüberliegenden Wand. „Emporio“ und „Good news“ (jeweils 80 cm x 80 cm), die ebenfalls um, allerdings locker und aus der Hand mit Kohle gezeichnete, architektonisch anmutende Grundrisse kreisen.
Birgit Leßmann, „Ungekünstelt“. Ausstellung bis April/Mai 2023.