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24. September 2024Randfiguren und Sonderwesen
Im Zentrum der künstlerischen Arbeit von Helmut Berka steht die Auseinandersetzung mit den wuchtigen Stoffen der altgriechischen Mythologie. Die Götter und Halbgötter, aber auch die – oft leidvollen – Schicksale der Menschen, die diesen Göttern begegnen, faszinieren ihn.
Sein besonderes Interesse gilt, wie der Künstler selbst sagt, den „Randfiguren, den Sonderwesen, den vom Schicksal getroffenen Figuren, den Allegorien und mythischen Gegebenheiten“. Diese Grenzwesen und ihre – im Wortsinn – qualvollen Grenzerfahrungen übersetzt Helmut Berka in kraftvolle Bilder: Etwa Sisyphos, Tantalus, Ikarus oder die Atlanten, die schwer an der Last ihres unausweichlichen Schicksals tragen. Daraus erwachsen „schwere“, monumentale Arbeiten.
„federlesen“
Im Kontrast zu diesen „Schwergewichten“ stehen Helmut Berkas „leichtfüssige“ Arbeiten im ganz kleinen Format. Sie sind ebenfalls einer ganz besonderen Reihe von Zwischenwesen gewidmet. Mit der Reihe „federlesen“ kommen diese sehr eigenwilligen Rand- und Zwischenwesen jedoch unerwartet leicht und verspielt daher.
In der „federlesen“-Serie verbinden sich farbige Zeichnung und Collage-Elemente miteinander. Namentlich sind es gefundene Vogelfedern, die stets zum Leib von filigranen Figürchen mit dünnen Beinchen werden. Sie haben stets knubbelige Knie und vogelartige Köpfchen mit langen Schnäbeln. Bisweilen sind sie – zusammen mit dem Entstehungsdatum und der Signatur („helmut“) – auch mit einer Art Bildunterschrift versehen. Eine kleine handschriftliche Bleistift-Notiz, die sich durchaus als Kommentar oder Bildraum-Erweiterung lesen lässt.
Der Bildtitel dieser Reihe, „federlesen“, ist an sich schon ein Wortspiel mit einem Augenzwinkern: Im eigentlichen Wortsinn meint das „Federlesen“ das Auflesen oder Verlesen von Federn, beziehungsweise auch das Rupfen von Vögeln. In einer übertragenen Bedeutung findet sich der Begriff Federlesen (auch im Genitiv Federlesens) in der deutschen Redewendung: „Nicht viel Federlesen(s) machen“. Im Sinne von: nicht zu viele Umstände um etwas oder jemanden machen oder nicht zu viel Rücksicht nehmen. Wer nicht viel Federlesen(s) macht, verzichtet darauf, dem anderen umständlich das (Feder-)Kleid zu bürsten, oder nur die feinsten Federn auszusuchen, sondern kommt vielmehr gleich zur Sache und spricht kurzerhand Klartext.
Und dieser Klartext offenbart sich bei Helmut Berka auch in den kurzen handschriftlichen Texten, die zu mit Bleistift notierten Bildtiteln werden.
Sinnsprüche und Kalenderweisheiten
Diese Untertitel erinnern bisweilen an Kalendersprüche oder die Binsenweisheiten, mit der wir uns die Welt vereinfachen. Da heißt es bei den „Federlesen“-Wesen zum Beispiel: „ein esel ist ein esel, auch wenn er wie eine gazelle springt“. Oder „asinus asinum fricat (ein esel krault den anderen)“. Aber nicht nur die sprichwörtlichen Esel haben es Helmut Berka angetan.
„was weg ist, ist weg“ ist auch so ein Klassiker, oder aber ein Zitat, das in kaum einem gutsortierten Sprüche-Kalender fehlt. „wer einen Fehler macht und ihn nicht korrigiert, begeht einen weiteren (konfuzius)“. „Was jeder weiß, ist es nicht wert gewusst zu werden (Wahlspruch eines Börsianers)“. Dieser Sinnspruch geht dann schon eher in die Richtung der umfangreichen Glückskeks- und-Lebenshilfe-Literatur, die ihren Leserinnen und Lesern materiellen Reichtum verspricht.
„jetzt sei doch nicht so schwierig“ setzt hingegen bei der allgemeinen Erziehung und Ermahnung an, und der eher resignierte Allgemeinplatz: „das ist es ja. er war noch nie in irgendetwas gut“ erinnert dann schon ein wenig an eine pädagogische Bankrott-Erklärung.
„Julius und die Hauszwerge“
Die Spielfreude, mit der Helmut Berka in die Sprüche-Kiste greift, macht durchaus Vergnügen. Ebenso wie die filigranen bunten Gestalten mit ihren dünnen Beinchen. Sie könnten durchaus auch Figuren aus einem Kinderbuch sein.
Und dies ist gar kein so abwegiger Gedanke. Denn Helmut Berka, der – wie er selbst gern betont – gar kein Illustrator ist, hat in der Tat auch schon einmal ein Kinderbuch illustriert. Mit eben solchen Federwesen, die zu einer kleinen Truppe von sehr unternehmungslustigen Zwergen werden. „Julius und die Hauszwerge“ heißt es, und es ist 2022 im Frischetexte-Verlag erschienen.