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8. März 2023„Orangerie“. Das hat sich einfach angeboten, für den Ausflugstipp mit „O“. Allerdings ist die Orangerie, also das klassische Haus für die meist exotischen und nicht-winterfesten Pflanzen, mit denen ein Schloss sich gemeinhin schmückt, bei weitem nicht das spannendste Gebäude, wenn es um das Benrather Schloss geht. Zumal die Benrather Orangerie „nur“ ein Nebengebäude der älteren Schlossanlage ist, die nicht mit abgerissen wurde, als Schloss Benrath neu gebaut wurde.
Schloss Benrath
Denn das Schloss Benrath lässt sich ohne Weiteres ein „Gesamtkunstwerk“ nennen. Gebaut, um zu erfreuen und zu zerstreuen. Zum privaten Vergnügen, abseits vom höfischen Zeremoniell und staatlich-repräsentativen Pflichten. In kleinerer Runde. In einer intimeren und bequemeren Umgebung, aber durchaus opulent und teuer. 700.000 Taler hatte die Anlage gekostet. Und zwar mit allem, was zu einem Lustschloss dazugehört: Jagdpark, Weiher und Kanalsystem.
Beauftragt hatte die weitläufige Anlage Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz. Als Witwensitz für die Kurfürstin Elisabeth Auguste. Achtzehn Jahre wurde an Schloss Benrath gebaut. Es entstand in den Jahren 1755 bis 1773 unter der Leitung von Nicolas de Pigage (1723–1796), seinem Architekten des Vertrauens. Der war ein lothringischer Baumeister, studiert hatte er in Paris bei Jacques-Francois Blondel.
Kurfürst Karl Theodor hielt große Stücke auf de Pigage. Er ließ ihn unter anderem auch Schloss Schwetzingen mitsamt Schlosstheater bauen. 1752 ernannte er ihn zum Oberbaudirektor am kurpfälzischen Hof in Mannheim.
Ganz modern
Kurfürst Karl Theodor hat eine Sommerresidenz im Sinn, durchaus in barockem Stil, aber mit den modernen Rokoko-Elementen für das Herrenkabinett und klassizistischen Komponenten für die Empfangsräume.
Hinter der scheinbar eingeschossigen Fassade verbergen sich tatsächlich vier Etagen. Mit achtzig Zimmern, zwei Lichthöfen und sieben Treppenhäusern. Diese Weitläufigkeit und Großzügigkeit erkennen Gäste erst, wenn sie das Haus betreten haben. Ein durchaus geplanter Überraschungseffekt.
Das „Corps de Logis“, die Wohnbereiche für den Kurfürsten und die Kurfürstin sind spiegelbildlich angelegt. Für sie im östlichen Teil mit Blick auf den Garten. Für ihn, im westlichen Teil und in Richtung des Jagdparks, mit vielen Dekorationselementen, die an die Jagd erinnern.
Die alte Anlage. Eigentlich sind es gleich mehrere
Für das neue Schloss Benrath, das übrigens seit seiner Entstehung weitgehend unverändert geblieben ist, musste eine andere Anlage weichen. Der Kurfürst ließ das vorherige Wasserschloss im Renaissance-Stil abreissen. Denn das war inzwischen ziemlich baufällig geworden. Fertiggestellt im Jahr 1666 war es fast hundert Jahre alt. Der Vater von Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg, „Jan Wellem“, hatte es mit seiner zweiten Frau Anna Maria Luisa de Medici als Sommerresidenz genutzt.
Lediglich die Kapelle und ein Seitentrakt, die sogenannte Orangerie, blieben stehen.
Auch der Vorgänger-Bau ist nicht die erste Anlage an dieser Stelle. Dort stand ursprünglich eine Burg, von der kaum Informationen vorhanden sind. Wir wissen, dass sie als eine „Wasserburg“ gegen Ende des 12. Jahrhunderts von den Grafen von Berg übernommen wurde. Und sie wurde – ab Beginn des 16. Jahrhunderts – des öfteren verpfändet und wieder ausgelöst. Über die Jahre war sie recht baufällig geworden. Und auf Weisung von Elisabeth Amalia Magdalena, der zweiten Frau des Herzog Philip Wilhelm, sollte sie 1660 in ein repräsentatives Renaissance-Schloss umgebaut werden.
Gartenkunst
Abgesehen von der prächtigen Schlossanlage mitsamt der Museen, die hier untergebracht sind, ist auch die weitläufige Gartenanlage sicher mehr als nur einen Blick wert. Sie besteht aus verschiedenen Bereichen, die zu verschiedenen Zeiten angelegt worden sind. Der älteste Teil reicht bis ins 17. Jahrhundert, also in die Bauzeit des Schlosses. Der Französische Garten war der Kurfürstin als Privatgarten vorbehalten. Und hier lassen sich die Prinzipien barocker Gartenarchitektur im Spazierengehen erkunden. Blumenrabatten in geometrischen Mustern und Springbrunnen mit Wasserkaskaden.
Der Englische Garten hingegen war der private Garten von Kurfürst Karl Theodor. Er wurde später von Friedrich Weihe und Peter Joseph Lenné umgestaltet. Aus dem rechteckigen Teich, denn de Pigage angelegt hatte, wurde dann ein geschwungener Teich mitsamt natürlich erscheinender Uferbepflanzung. In ihm sollte sich das Prinzip einer natürlichen Landschaft widerspiegeln. Die Idee war ein „begehbares Landschaftsgemälde“, das denen, die sich darin bewegen, Vergnügen und Abwechslung bereitet. Trotz einer angestrebten „Natürlichkeit“ – im Unterschied zur strengen Geometrie des französischen Gartens – ist auch der englische Garten ein sorgfältig geplantes Kunstwerk, das sich an der Ästhetik eines Landschaftsgemäldes der idealen Landschaftsmalerei orientiert.
Kulturgeschichte als Spaziergang
Über Schloss Benrath mitsamt Gartenpartien und Schlossweiher sind bereits zahlreiche umfangreiche kunstgeschichtliche Bücher geschrieben worden. Die lassen sich auch lesen. Viel kurzweiliger ist es allerdings, die längst vergangenen Zeiten auf einem Spaziergang zu erkunden. Denn schließlich blickt man aus demselben Fenster, aus dem auch der Kurfürst geschaut hat, oder genießt die feine Geometrie des französischen Gartens. Genauso wie sich auch die Kurfürstin darüber gefreut hat. Und kann sich beim Anblick der Wirtschaftsräume mitsamt Kamine und Befeuerungsanlagen vielleicht vorstellen, wie aufwendig der Betrieb einer solchen Anlage gewesen sein muss. Einfacher lässt sich eine kleine Zeitreise kaum gestalten. Viel Vergnügen dabei!